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Teil II – „Ich bin für Produkte, die aus der Rolle fallen“

Im zweiten Teil des Interviews gibt Michael Heintschel wertvolle Tipps und Empfehlungen für Hersteller und wirft einen Blick in die Glaskugel. Was könnte in den nächsten Jahren Neues entstehen? Und worauf kommt es bei Innovationen an?

Michael Heintschel

Michael Heintschel
(Bild: privat)

Was halten Sie von der Idee, kaschierte Hülsen für Blumenläden anzubieten? Zwei, drei Rosen lassen sich doch in einer kaschierten Hülse transportieren, oder? Noch dazu in edlem Design!

Heintschel: Gute Idee! Die kaschierte Hülse ist nicht nur als Transportverpackung geeignet, sondern auch als Primärverpackung. Beispiel MyMuesli: Am Anfang haben die auch nur die Adresse auf die Hülse darauf geklebt, später kam das besondere Design dazu. Das ist das Geniale an der Verpackungsidee von kaschierten Hülsen.

Was glauben Sie: Gibt es bald Einsatzgebiete von kaschierten Hülsen, an die man heute noch gar nicht denkt? Die Entwicklung bei manchen Produkten – egal, aus welchem Bereich – zeigt ja, dass so manche ursprüngliche Idee eines Tages zweckentfremdet wurde….

Heintschel (lacht): Ich glaube, das trifft auf fast jeden Industriezweig zu. Wenn Sie mal in den Supermarkt gehen und sich genau umschauen, finden Sie sicherlich Verpackungen, für die man ein Konzept entwickeln könnte, das auch für andere Zwecke geeignet ist. Eine neue Verpackungsform kann zu einem völlig neuen Markenauftritt und Verwendungsanlässen führen.

Bei Brandt Hülsen stellt man eine steigende Nachfrage nach kaschierten Hülsen fest. Glauben Sie, dass sich der Trend bis 2021 fortsetzen wird?

Heintschel: Diese Prognose deckt sich mit meiner Ansicht, dass diese Verpackungsart inklusive Material und Form sich auch in Zukunft steigender Beliebtheit erfreut. Das betrifft zahlreiche und ebenso unterschiedliche Kategorien, wie Unterwäsche, Socken, Lebensmittel. Irgendwann aber wird der Erfolg dieser speziellen Hülse zurückgehen – und damit auch der Erfolg des jeweiligen Produkts. Irgendwann klappt das nicht mehr, „einfach mal“ eine schicke Kartonhülse zu nehmen und damit aufzufallen. Denn eines Tages hat der Mitbewerber dieselben kaschierten Hülsen! Dann geht es in die nächste Runde. Marke bedeutet halt auch ein Leistungsversprechen – und dieses Leistungsversprechen muss sich auch in der Form und Gestaltung des Produkts ausdrücken.

Was glauben Sie: Welche Trends gibt es in den nächsten zwei, drei Jahren, wenn es um kaschierte Hülsen geht? Etwa beim Design, der Herstellung oder dem Material?

Heintschel: Ich meine: Je erfolgreicher eine Verpackungsform in der jeweiligen Produktkategorie ist, desto mehr Nachahmer wird das hervorrufen. Ich glaube daher: Irgendwann kommen wir auch bei der Entwicklung von Hülsen an einen Punkt, die mit der von Dosen vergleichbar ist.

Ein Beispiel: Früher gab es nur einfache Aluminium-Dosen in den Supermarktregalen, fast alle sahen gleich aus. Die Dose alleine reichte irgendwann nicht mehr aus. Die Folge: Die Formenvielfalt der Dosen nahm zu. Plötzlich gab es Dosen mit Taille und so weiter. Und hier sind wir bei der nächsten Herausforderung für die Hersteller: Wie kann ich eine kaschierte Hülse so individuell machen, dass sie sich von anderen abhebt?

Mal angenommen: Sie stehen in einem Supermarkt vor dem Nudel-Regal. Würden Sie Nudeln in wunderbar designter Hülse eher kaufen als eine hochwertige Nudel in Tütenform?

Heintschel: Das ist natürlich ein ganz anderer Pfad…. (überlegt): Ja, ich glaube, ich würde die Nudeln mit kaschierter Hülse einmal kaufen. Ob allerdings der Kaufanreiz bei mir anhält, weiß ich nicht. Denn bei Nudeln oder Reis wandert die Verpackung oft schnell in den Müll. Eine kaschierte Hülse womöglich auch. Eine reine Tüte stört also hinsichtlich des Entsorgungsprozesses viel weniger. Wenn ich die Hülse wegwerfe, habe ich einen großen Materialeinsatz bei der Müllbeseitigung. Ich meine: Eine kaschierte Hülse – als Aufbewahrungsmittel – eignet sich besonders gut bei jenen Produkten, die nicht auf einmal konsumiert werden.

Haben Sie ein Beispiel?

Heintschel: Ich denke an eine hochwertige Spirituose. Da habe ich die Hülse wochenlang zuhause, bevor ich diese entsorge. Bei der Nudel ist es anders. Ich mache die Tütenverpackung auf, schütte die Nudeln in den Topf und entsorge die Tüte. Fertig!  Ich meine: Eine kaschierte, große Hülse – als Geschenk, als tolle Nudelverpackung – das könnte durchaus interessant sein. Doch alles, was regelmäßig verzehrt wird, führt meist zu mehr Verpackung und mehr Müll.

Man könnte ja eine kaschierte Hülse mit schönem Design als „Vorratsspeicher“ für jede Nudelform verwenden, auch wenn der jeweilige Anbieter nichts davon hat. Motto: Wo eine Nudel drauf ist, sind auch welche drin.

Heintschel: Ja, das stimmt. Wichtig ist, eines Verpackungskonzepts von der Herstellung bis zur Entsorgung zu betrachten und alle Touchpoints mit dem Kunden in diesem Verlauf genau zu analysieren.

Was kann man als Produzent noch tun? Worauf sollte man in Zukunft viel Wert legen?

Heintschel: Ich glaube, die Hersteller von kaschierten Hülsen sind gut beraten, ihre Kunden immer wieder mit neuen Ideen zu stimulieren. Zum Beispiel mit Designstudien oder fiktiven Produkten. Das kann den Blickwinkel auf die Kartonhülse erweitern.

Ich meine, viele Einkäufer von Hülsen haben nicht die Fantasie und auch nicht die Zeit für eigene Innovationen. Die muss vielleicht der Hersteller vorschlagen. Ich bin immer wieder für Ideen, die aus der Rolle fallen. Das entstaubt dann sicher auch ein so traditionelles Produkt wie die Kartonhülse.

Was empfehlen Sie den Herstellern in diesem Zusammenhang? Eine Umfrage unter Kunden, damit sie mehr von deren Wünschen erfahren?

Heintschel: Ich denke auch an folgende Idee: Als Hersteller von Hülsen könnte ich mir einen Design-Wettbewerb bei einer Hochschule sehr gut vorstellen. Ein Experiment unter Studenten! Warum nicht? Oder: Eine Kooperation mit einem Star-tup-Unternehmen, das bereit ist, auch Ideen für kleinere Losgrößen zu kreieren.

Herr Heintschel, wir danken für das Gespräch!

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