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Teil I – „Kaschierte Hülsen machen Marken unverwechselbar“

Michael Heintschel gründete im Jahr 1984 seine gleichnamige Markenagentur. Der Geschäftsführer hat sein Büro in Freising bei München. Der Fokus seiner Dienstleistung liegt auf der „Strategie- und Designberatung für Markenbildung und Produktkultur“. Im ersten Teil des Interviews äußert sich der 62-Jährige zu den Einsatzgebieten von kaschierten Hülsen und zu deren Besonderheiten.

Michael Heintschel

Michael Heintschel
(Bild: privat)

Herr Heintschel, welchen Trend haben Sie in den letzten Jahren bei kaschierten Hülsen festgestellt?

Heintschel: Kaschierte Hülsen aus Pappe sind seit zwei, drei Jahren stark im Kommen und machen Kunststoff- und Plastikhülsen verstärkt Konkurrenz.

Wie kam es dazu?

Heintschel: Firmen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben sich vor allem bei neuen Produkten in Zusammenhang mit der Verpackung und Design in der Vergangenheit immer wieder die Frage gestellt: Was gibt es für Alternativen zu einer Box? Kaschierte Hülsen sorgen in einigen Kategorien ­– in den Hülsen noch kaum vertreten sind – für Unverwechselbarkeit.

Welches Material wird bei kaschierten Hülsen besonders gerne verwendet?

Heintschel: Es ist das unbehandelte Material, sozusagen der „Naturlook“. Der Rohstoff aus Papier kommt zum Vorschein, daneben spielt der Umweltaspekt immer mehr eine Rolle: Der Rohstoff ist nachhaltig.

Was schätzen Sie persönlich an kaschierten Hülsen?

Heintschel: Kaschierte Hülsen führten ja lange Zeit einen Dornröschenschlaf. Irgendwann stellte man fest, dass man mit diesem vermeintlichen Standardprodukt – mithilfe einer schönen Verpackung – etwas Einzigartiges kreieren kann. In einigen Branchen sind die Hülsen noch stark unterrepräsentiert.

Welche „Einsatzgebiete“ sind denn heute schon typisch – und wer nutzt sie?

Heintschel: Ich nehme mal mich selber als Beispiel: Ich verwende gerne Hülsen, in denen ich Müsli aufbewahren kann. Die Firma MyMuesli hat es vor vielen Jahren geschafft, mit einer kaschierten Hülse eine starke ikonografische Verpackung zu etablieren. Und das mit einem Standardprodukt!

Viele Unternehmen geben andernorts eine Menge Geld aus, um eine eigene Form zu kreieren. Man muss sich das mal vorstellen: Die Firma nimmt einfach eine Kartonhülse, füllt ihre Müslis rein – und plötzlich repräsentiert diese Hülse auch die Marke. Und alle sagen: Das ist ja mal eine geniale Idee!

Es bleibt ja nicht nur bei den Müslis als möglichen Inhalt. Theoretisch kann man viele Lebensmittel in einer solchen Hülse in der Küche oder im Vorratsraum deponieren…

Heintschel: …Stimmt! Vor wenigen Monaten bekam ich mal einen Whiskey geschenkt. Der ist leider schon leer. Aber die Hülse habe ich aufgehoben, die steht bei mir in der Küche. Das sieht einfach schön aus.

Haben Sie noch ein Beispiel, an dem deutlich wird, wie sehr kaschierte Hülsen das Produkt bewerben – so sehr, dass es marken- und stilbildend wird?

Heintschel:  Ja, da gibt es ein sehr gutes Beispiel, das sind die „Pringles“.

Chips werden in der Regel in Tüten verpackt. Tütenverpackungen sind die vorherrschende Form in der Kategorie Chips. Die Chips ordentlich in eine Kartonhülse zu stapeln war eine einmalige Idee des Chemikers und Verpackungstechnikers Fredric J. Baur. Der hatte 1970 sogar ein Patent auf die Pringles-Dose erhalten. Als er am 4. Mai 2008 im Alter von 89 Jahren in Cincinnati verstarb, wurde auf seinen Wunsch hin ein Teil seiner Asche in einer Pringles-Dose beerdigt.

Chips in einer Kartonhülse zu stapeln ist ein Regelbruch

Was war die Folge?

Heintschel: Dadurch hat sich der Verzehr von Chips komplett verändert. Wenn man in die Tüte greift, dann raschelt es. Das passiert bei einer Kartonhülse nicht. Man konsumiert die Pringels Stück für Stück – das kann man fast mit einer Hostie vergleichen, die man zu sich nimmt und auf der Zunge zergehen lässt.

Also: Das Ritual des Chips-Verzehrs hat sich durch die „Röhre“ geändert. Pringles hat es dadurch geschafft, zu einer starken Marke im Chips-Markt zu werden. Man hat mit allen Regeln der Kategorie gebrochen. Die Chips sind nicht in der Tüte, sondern kommen aus einer Röhre!

Bei einem Logo heißt es oft: Es sollte unverwechselbar und wiedererkennbar sein. Sollte das auch auf kaschierten Hülsen zutreffen?

Heintschel: Ja, eine kaschierte Hülse sollte in der Tat dazu beitragen, dass das Produkt möglichst wiedererkennbar und unverwechselbar ist. Bei MyMuesli und bei Pringles ist die Verpackung Teil der Marken- und Produktidentität geworden.

Inwieweit spielt heute das Umweltbewusstsein eine Rolle, wenn es um den Kauf von kaschierten Hülsen geht?

Heintschel: Dieses Umweltbewusstsein trägt sicherlich zum Erfolg generell von Hülsen bei. Das gilt vor allem für jene kaschierten Hülsen, die nicht zu stark – ich sage mal „überdekoriert“ – sind, denen man das Basismaterial ansieht und bei denen man den haptischen Effekt sofort bemerkt: Das ist ein Karton!

Welche Branche und Firmen gebrauchen heute kaschierte Hülsen am meisten?

Heintschel: Ich meine, die Lebensmittelindustrie fragt sicher am meisten kaschierte Hülsen nach. Allerdings gibt es hier vonseiten der Hersteller strenge Anforderungen, was Lebensmittelverträglichkeit und Migration angeht.

Smarties waren in den 1970er und 80er Jahren der Snack für uns Jugendliche…

Heintschel: … Ja, die sind aber heute gar nicht mehr im Fokus und sind fast in Vergessenheit geraten. Vielleicht hat die Marke Smarties einen Fehler begangen: Man hat die Verpackungsform verwässert, indem man nicht mehr ausschließlich auf die typische und für die Marke prägende Verpackungsform der Kartonhülse gesetzt hat. Gleichzeit ist die Verpackung der Kartonhülse auch noch „convenient“ und ideal für den Unterwegsverzehr geeignet.

 

Im zweiten Teil des Interviews wirft Michael Heintschel einen Blick in die Glaskugel. Was könnte in den nächsten Jahren Neues entstehen? Und worauf kommt es bei Innovationen an?

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